Beim Formel 1-Wochenende in Singapur gibt es einige Gewinner. Rennsieger Lando Norris sowie Max Verstappen, der trotz der letztjährigen katastrophalen Red Bull-Vorstellung auf dem Stadtkurs Zweiter werden konnte. Doch trotz vieler strahlender Gesichter gibt es auch Fahrer, bei denen Sorgenfalten wachsen oder gar Tränen fließen dürften.
Das Auf und Ab von Lando Norris
Der schärfste Verfolger von Max Verstappen heißt Lando Norris. Mit 59 Punkten Rückstand ging es in Grand Prix 17 von 24 dieses Jahres. Mit dem Sieg über den zweitplatzierten Verstappen schließt Norris um weitere sieben Punkte zum WM-Führenden auf. Mit 52 Punkten Rückstand kann Norris nicht mehr aus eigener Kraft Weltmeister werden. Heißt, selbst wenn er sämtliche verbleibenden Rennen und Sprints gewinnt und alle schnellste Runden holt, holt Verstappen den Titel mit zweiten Plätzen in den verbleibenden Sessions.
Fortan ist Norris also auf Schützenhilfe angewiesen, selbst wenn er ab sofort dominant auftreten sollte. Das scheint jedoch unwahrscheinlich, denn die Leistungskurve von Norris ist bisweilen ein stetiges Hin und Her. Auch seit der Sommerpause, aus der er augenscheinlich gestärkt zurückkam, folgte auf einen dominanten Sieg in Zandvoort das Rennen in Monza, bei dem er seinem Teamkollegen Oscar Piastri unterlag. In Baku schied er schon in Q1 aus, kompensierte das schwache Qualifying-Ergebnis jedoch mit einer starken Aufholjagd, durch die er sogar vor Verstappen die Ziellinie überquerte und in Singapur ist er wieder zurück! Er war zwar ähnlich dominant wie in Zandvoort, doch fehleranfällig, was ihn zweimal fast das Rennen gekostet hätte.
Max Verstappen – Sieg trotz zweitem Platz
Die Vorbereitung auf das Singapur-Wochenende bei Red Bull dürfte vermutlich viele Nerven gekostet haben, schließlich war dies die einzige Strecke, auf der sie 2023 nicht gewinnen konnten. Umso überraschender war die Performance von Max Verstappen, der sich in der Woche zuvor noch sehr unwohl mit dem RB20 fühlte. Nun waren die Rollen vertauscht, sodass Sergio Perez mit dem Fahrzeug zu kämpfen hatte, während Verstappen einen ziemlich ungefährdeten zweiten Platz ins Ziel retten konnte, durch den ihm fortan zweite Plätze genügen, um den WM-Titel einzufahren.
Der tragische Abschied von Daniel Ricciardo
Bedanken kann sich Verstappen hierbei auch bei Daniel Ricciardo, der kurz vor Rennende an die Box geordert wurde, um Lando Norris die schnellste Runde wegzunehmen. Auf Punktekurs war der Australier ohnehin nicht, daher ist das ein Luxus, den sich Red Bull als einziger Konzern mit zwei Teams, leisten kann. Ricciardo wurde auch zum Fahrer des Tages gewählt, jedoch nicht wegen seines Verdienstes zugunsten von Verstappen.
Bereits vor dem Wochenende ist die Gerüchteküche hochgekocht, die besagt, dass Ricciardo nun sein letztes Rennen für die Racing Bulls bestritten haben dürfte. Dies wurde bisweilen nicht bestätigt, doch es scheint ein unausgesprochenes Geheimnis zu sein. Ricciardos Verhalten und Interviews wirkten durchgängig nach Abschied. Der Vote zum “Driver of the Day” dürfte ein letztes Geschenk der Fans an Daniel Ricciardo gewesen sein.
Mercedes & Ferrari als zweite Reihe
Das Qualifying lief ebenso gut für Mercedes wie schlecht für Ferrari – Startreihe zwei gegen Startreihe fünf. Zum Rennende waren die beiden Teams jedoch unweit voneinander. George Russell, der hinter Lewis Hamilton startete, beendete das Rennen auf P4. Hamilton tat sich nach seinem Boxenstopp sichtlich schwer mit der härteren Reifenmischung und wurde nur sechster. Charles Leclerc gelang nach einem späten Stopp eine Aufholjagd bis ins DRS-Fenster von Russell, die jedoch genau dort endete und Carlos Sainz wurde Siebter. Gegen Mclaren oder Red Bull war für beide Teams nichts zu machen. Russell fehlte am Ende rund eine Minute zu Norris, Sainz wurde fast überrundet – zur Erinnerung: Letztes Jahr gewann Sainz den großen Preis von Singapur noch.
Alexander Albon auf dem wackeligen Stuhl
P8 ging an Fernando Alonso, P9 an Nico Hülkenberg, P10 an Sergio Perez und P11 an Franco Colapinto. Einen Namen vermisst man hier in der Aufstellung, wenn man sich daran gewöhnt hatte, dass Alexander Albon das Williams-Teamduell meist für sich entscheidet. Tatsächlich konnte sich Albon knapp vor dem Rookie Colapinto qualifizieren, der in Singapur seinen erst dritten Grand Prix bestritten hat. Beim Start ging Colapinto jedoch volles Risiko, zum Leidtragen von Albon. Im Anschluss konnte Colapinto stets in Punktenähe bleiben und Albon kein Ausrufezeichen mehr setzen bis er das Fahrzeug endgültig abstellen musste. Es wäre zu diskutieren, ob Colapinto in Singapur wirklich schneller war als Albon, doch die Figur, die er in den ersten 3 Wochenenden machen konnte, hinterlässt einen starken Eindruck, der das vorzeitige Entlassen von Logan Sargeant definitiv rechtfertigt. Immerhin hatte Colapinto mit Baku und Singapur zwei Strecken, die sehr anspruchsvoll zu fahren sind und überzeugt immer noch.
So könnte Sargeant nicht der einzige Pilot bleiben, der für Colapinto weichen muss. Die Williams-Fahrerpaarung für 2025 steht zwar schon, da Sainz den Platz neben Albon belegt. Doch Colapinto konnte binnen dreier Rennen die dominanten Vorstellungen Albons gegen Latifi und Sargeant relativieren. Ähnliches gelang Nyck de Vries 2022 bereits, der in Monza statt Albon eingesprungen war und ähnlich überzeugen konnte. Das könnte natürlich eine Eintagsfliege gewesen sein. Mit Colapintos Performance wäre jedoch die Frage berechtigt, ob Albon wirklich so gut ist wie angenommen. Der direkte Vergleich mit Sainz im nächsten Jahr wird für mehr Aufschluss sorgen. Sollte Albon dort den Kürzeren ziehen, könnte es für Albon eng werden.
Nun hat die Formel 1 erstmal 3 Wochenenden Pause, ehe es in Austin, Texas mit einem Sprintwochenende weitergeht.