2020 war ein schwieriges Jahr mit schwierigen Themen. Die Welt stand still und so ganz ohne Clubs, Konzerte und Sportveranstaltungen wusste erstmal keiner so recht, wohin mit der neu gewonnenen Zeit. So waren auch Rennfahrer vom Lockdown und dem Ausfall von zahlreichen Rennveranstaltungen betroffen, und auch die Formel 1 blieb davon nicht verschont. Einige Fahrer versuchten sich somit am Simulator und streamten ihre Abenteuer auf der virtuellen Strecke, ganz zur Freude der gesamten Motorsport-Community, die nun persönlichere Einblicke zu den großen Idolen aus Formel 1 und co erhielt. Einige Simracer durften sogar gegen Fahrer aus dem realen Motorsport antreten. Einer dieser glücklichen Menschen war ich.
Wenn dich ein Formel 1-Fahrer „schnell“ nennt
Ich war zwar nicht ab dem ersten Event involviert, in dem Formel 1-Fahrer antraten, doch retrospektiv war das vermutlich das Beste, was mir hätte passieren können, da ich als unbeschriebenes Blatt teilnahm. Auf Empfehlung von PietSmiet kamen die Organisatoren der „Not the GP“-Reihe auf mich zu und fragten, ob ich Interesse daran hätte, beim „Not the Belgian GP“ teilzunehmen. Meine Zusage kam sofort, denn als Formel 1-Fan seit Kindheitstagen konnte ich mir wenig Schöneres vorstellen als mich mit Fahrern wie Lando Norris, Charles Leclerc, Jean Eric Vergne, Antonio Giovinazzi und Nicolas Latifi zu messen.
Eine volle Woche hatte ich mich auf das Event vorbereitet, mir die besten Strategien erarbeitet und die Rennlinie optimiert. Ich spiele die Formel 1-Spiele zwar seit ich denken kann, doch ich hatte meinen Fokus nie wirklich auf meine Performance gesetzt – außer in dieser einen Woche, denn das war die große Chance, einmal durch die eigene Leistung zu glänzen und Erinnerungen zu schaffen, die vermutlich ein Leben lang halten werden. Entsprechend stolz war ich, als nach einigen Qualifying-Runden Ferrari-Pilot Charles Leclerc in seinem Livestream fragte, wer denn dieser „Dave Gaming“ sei – immerhin war ich bei den ersten Events noch nicht dabei und ihm bis dato unbekannt. Als der Chat ihn darüber aufklärte, ich sei ein deutscher YouTuber und Streamer, entlockte es ihm ein anerkennendes „Woah okay, he is quick!“ (übersetzt: „Woah okay, er ist schnell!“). Das war etwas, was ich erst im Nachhinein erfuhr, da ich während des Events den vollen Fokus auf Qualifying und Rennen legte. Immerhin waren Komplimente in diesem Event nicht genug.
Alle F1-Fahrer besiegt – bis auf einen
Nach dem Qualifying folgten zwei Rennen. Im ersten dieser Rennen startete Charles Leclerc von P4 aus ins Rennen, dahinter Lando Norris, Nicolas Latifi und meine Wenigkeit. Durch einen frühen Stopp konnte ich den meisten Zweikämpfen aus dem Weg gehen und versuchen, ein Pace-optimiertes Rennen zu fahren, indem ich einsam meine Runden fuhr. Doch schon bald leisteten mir Nicolas Latifi und Pietro Fittipaldi Gesellschaft, mit denen ich bis zuletzt um die vierte Position kämpfte. Einmal gelang mir sogar ein Überholmanöver gegen Latifi durch die legendäre Eau Rouge-Kurve. Ein Move, bei dem selbst meine konzentrierte Miene kurz aufweichte und erkennbare Freude zuließ, denn solche Manöver sind selten. Am Ende setzte ich mich gegen Pietro Fittipaldi und Nicolas Latifi durch und sicherte mir die vierte Position.
Mit Lando Norris, Antonio Giovinazzi und Jean Eric Vergne hatten wir drei der Formel 1-Fahrer besiegt. Einzig Charles Leclerc und zwei F1-Esport Piloten landeten in diesem Rennen vor mir. Drei der vier F1-Fahrer zu besiegen hätte durchaus Grund zur Freude bedeutet, doch nach kurzem Jubel mit meinem Teamkollegen Jay von PietSmiet war der Fokus wieder voll aufs Rennen gerichtet, denn ich hatte noch eine Aufgabe vor mir. Ich wollte Charles Leclerc besiegen.
Die letzte Herausforderung – Charles Leclerc besiegen
Für das zweite Rennen wurde ein „Reverse Grid“ eingerichtet. Man startet also in umgekehrter Reihenfolge zum ersten Rennergebnis. Unmittelbar nach dem Start wurde ich zwar von meinem Kontrahenten Charles Leclerc überholt, doch bereits in Runde 1 gab es in Eau Rouge eine große Karambolage, in die auch Charles Leclerc involviert war. Ich wich den zahlreichen verunfallten Fahrzeugen gekonnt aus, doch sonst entlockte mir diese Situation keinerlei Reaktion. Charles Leclerc war weiterhin im Rennen. In Runde 4/11 kollidierte Leclerc und schied aus. Ich weiß nicht mal mehr, ob ich davon etwas mitbekommen hatte – zumindest sage ich in den Aufnahmen nichts darüber. Aber ob mit oder ohne Wissen von Leclercs Ausfall, blieb mein Ziel unverändert. Ich wollte das bestmögliche Rennen abliefern und einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Somit gelang es mir, im zweiten Rennen von Belgien von Startplatz 17 aus aufs Podium zu fahren. Einzig zwei F1-Esportler kamen vor mir ins Ziel. Aber mein Ziel war erreicht. Ich hatte sämtliche Formel 1-Fahrer, die am Event teilgenommen hatten, besiegt und wurde zudem zum „Fahrer des Tages“ von den Veloce-Kommentatoren gewählt. Das Überraschungsmoment, dass da plötzlich jemand aus Deutschland im dritten Event hinzugekommen war, der jegliche Creator, F1-Fahrer und Promis besiegte, bescherte mir ein unerwartet großes Rampenlicht.
Wie aufgeregt ist man bei so viel Prominenz?
Etwas, was mich bis heute selbst überrascht, ist die Tatsache, dass ich zu keinem Zeitpunkt des Events aufgeregt war. Ich hatte mich so intensiv in einen Tunnel begeben, dass ich jegliche Bewunderung, die ich für Formel 1-Fahrer übrig hatte, ausblenden konnte. Es waren in meiner Wahrnehmung einfach „nur Menschen“ – also fuhr ich wie immer, nur schneller. Auch als später eine private Rennsession inklusive Sprachchat untereinander eingerichtet wurde, war ich nicht aufgeregt, als ich mich direkt mit Charles Leclerc unterhielt, ganz im Gegenteil sogar. Ich nutzte jede erdenkliche Chance, um Witze zu reißen – sei er noch so gut oder schlecht. Und als Leclerc mich fragte, warum ich mit zwei Profilen im Sprachchat war, erklärte ich ihm, wie mein Streaming-Setup aufgebaut war, was er anerkennend abnickte. Letztlich hinterließ ich wohl nicht nur fahrerisch, sondern auch als Person einen so bleibenden Eindruck, dass er mir seither sogar auf Instagram folgt. Verrückt.
Das Highlight kam erst danach – Leclerc in Monaco überholen
Es gab in den Folgewochen noch vereinzelte Events der „Not the GP“-Reihe, zu denen ich eingeladen war. Mein größtes Highlight dieser Eventreihe folgte im Monaco-Event. Ich startete hinter Charles Leclerc und konnte ihn einige Runden später unter Druck setzen. Dieses Mal entglitt ihm erneut ein „Dave is quick!“, nur dieses Mal weitaus weniger ruhig als beim Event in Belgien. In Runde 12/20 setzte ich in der legendären Rascasse-Kurve zum Überholmanöver an und überholte Leclerc. Ausgerechnet bei seinem Heim-GP, ausgerechnet auf einer Strecke, auf der das Überholen schier unmöglich scheint. Doch mir war es gelungen und mit einiger Überraschung, Verlegenheit und Freude fing ich an zu kichern. Anders als beim ersten Event in Belgien war hier kein Druck vorhanden, sich zu beweisen. Das hatte ich schon in Belgien getan. Alles, was in den Folgewochen passierte, war reiner Bonus, den ich in vollen Zügen genießen konnte. Und somit auch das vielleicht wahnwitzigste Überholmanöver meines Lebens – gegen einen Ferrari F1-Pilot in Monaco auf seiner Heim GP-Strecke.
Die komplette Aufzeichnung zu den Not The GP-Events
Belgien GP
Monaco GP
Aserbaidschan GP