Die Alpine beim F1 2024 Bahrain GP - Quelle: Twitter @alpinef1team

Die Formel 1 Saison 2024 begann für Alpine sehr schmerzhaft. In der ersten Qualifikation des Jahres belegten die Fahrer die letzten zwei Positionen mit einer Zeit, die weniger als 2 Zehntelsekunden schneller war als Alpines Vorjahresbestzeit in Bahrain. Im zweiten Qualifying fehlten zur Vorjahreszeit sogar rund 4 Zehntelsekunden. Und das, obwohl sich die Konkurrenz durchweg verbessert hat. Nach zwei Rennen ist man weiterhin punktlos und ersten Gerüchte zufolge suchen die Fahrer bereits nach Möglichkeiten, das Team zu verlassen. Doch wie konnte es zu diesem Fall eines Werksteams in der Formel 1 kommen?

Die großen Renault-Jahre

Zum Jahr 2002 übernahm Renault das Benetton-Team und erlebte einen rasanten Aufstieg. Unter Teamleitung von Flaviore Briatore und mit Fernando Alonso als ersten Fahrer holte man 2005 und 2006 die Fahrer- sowie Konstrukteursmeisterschaften. Zeitgleich zum kurzen Ausflug von Fernando Alonso zu Mclaren 2007 ließ auch die Leistung von Renault nach, ehe man mit Alonsos Rückkehr 2008 noch zwei weitere Siege einfahren konnte – einer unter dubiosen Umständen, heute bekannt als das Crashgate von Singapur.

Renaults Ausstieg aus der Formel 1

Mit einem neuen Reglement 2009 erreichte die Talfahrt von Renault einen Tiefpunkt. Einzig Fernando Alonso konnte im Renault punkten. Er erreicht sogar einen Podiumsplatz, doch mit dieser Formkurve konnte ihn der französische Rennstall nicht halten. 2010 gab es trotz Alonsos Abgang einen Aufschwung, bei dem Robert Kubica und Vitaly Petrov 163 Punkte sammeln konnten. Im Vorjahr erzielte Renault nur 26 Punkte, wohlbemerkt unter einer anderen Punkteverteilung. Dennoch war eine Steigerung unverkennbar. 2011 trat man als Lotus Renault GP an, erzielte nur noch 73 Punkte und zog sich anschließend als Formel 1-Team zurück. Einzig das Engagement als Motorenhersteller hielt man aufrecht.

Die Rückkehr und Abkehr von Renault

2016 übernahm Renault das Lotus-Team, das bis 2014 noch mit Renault-Aggregaten fuhr, sich jedoch für 2015 für Mercedes-Motoren entschied. Mit Kevin Magnussen und Jolyon Palmer gelang nur ein sehr schwaches Comeback mit nur 8 Punkten. Dies konnte man 2017 toppen, da man mit Nico Hülkenberg und später in der Saison auch Carlos Sainz gleich zwei stärkere Fahrer für sich gewinnen konnte. 2018 war Renault sogar vierte Kraft, während man im Vorjahr nur das sechsstärkste Team war. Die Steigerung hielt jedoch nicht lange an.

2019 gewann man mit Daniel Ricciardo einen Grand Prix-Sieger und Toppiloten, der in den Teamduellen gegen Hülkenberg (2019) und Esteban Ocon (2020) überzeugen konnte. Dennoch war man in beiden Jahren nur die fünfte Kraft, ehe der Name Renault als Formel 1-Team erneut verschwand.

Das Alpine-Paradoxon

Ehe wir den Werdegang von Renaults Formel 1-Engagement weiter beäugen, widmen wir uns etwas, was mir bis dato unverständlich ist. Denn so gesehen ist Renault weiterhin in der Formel 1 aktiv, nicht nur als Motorenhersteller. Denn seit 2021 tritt das Team mit Hauptsitz in Enstone als Alpine und nicht mehr als Renault an, und Alpine gehört zu 100% der Renault Group und stellt die Sportwagenmarke des Konzerns dar. Während Renault sich einer großen Markenbekanntheit erfreut, ist die Marke Alpine wohl kaum geläufig. Da stellt sich umso mehr die Frage, inwiefern es sinnvoll ist, die deutlich kleinere Marke auf der größten Motorsportbühne der Welt zu präsentieren – mit bislang mäßigem Erfolg.

Das Alpine-Fiasko

Denn der Sprung aus dem Mittelfeld gelang auch dann nicht, als man sich im Zuge des Rebranding Anfang 2021 vom damaligen Teamchef Cyril Abiteboul trennte. Zwar holte man 2021 einen Sieg und einen weiteren Podiumsplatz, doch man blieb auf Platz 5 der Konstrukteursmeisterschaft. 2022 war man zumindest wieder vierte Kraft, doch hinsichtlich der Performance war man weiterhin genauso weit hinter den großen 3 wie zuvor. An dieser Stelle ist nochmal wichtig anzumerken, dass Renault bzw. Alpine ein Werksteam ist. Das Ziel eines Werksteams, insbesondere bei einem Fahrzeughersteller, muss die Weltmeisterschaft sein. Bei Alpine war ebenjenes Ziel gesetzt, jedoch bedürfe für die Erfüllung dieses Ziels Zeit. 2023 gelang zwei Teams der Anschluss aus dem Mittelfeld an die Spitzengruppe, nämlich Mclaren und Aston Martin. Aus den großen 3 wurden damit die großen 5 Teams, die fortan für Alpine nur in Ausnahmefällen erreichbar wurden. Und wie in der Einleitung erwähnt, ist Alpine zu 2024 nicht einmal sechsstärkste Kraft geblieben, sondern bis ans Ende des Feldes gerutscht, aber warum?

Die ungesunde Personalpolitik Alpines

Anfang 2022 begann bei Alpine ein riesiger Aderlass. Das Team trennte sich von Executive Director Marcin Budkowski. Kurze Zeit später verkündete Alain Prost, der zuvor jahrelang in beratender Funktion für Renault agiert hatte, er würde sein Engagement mit Alpine einstellen. Der vierfache Formel 1-Weltmeister äußerte seitdem auch harte Kritik an der Führung des Teams.

2023 verprellte man mit vagen Vertragsangeboten sowohl den Bestandsfahrer Fernando Alonso als auch den jahrelang herangezüchteten Nachwuchs Oscar Piastri. Alonso wechselte zu Aston Martin, Oscar Piastri zu Mclaren. Kurze Zeit später sägte Alpine ihren CEO Laurent Rossi ab, ebenso Teamchef Otmar Szafnauer und Motorsport-Direktor Alan Permane. Ende 2023 trennte man sich von Davide Brivio und nach dem ersten Rennen der F1 Saison 2024 kündigten mit Matt Harman und Dirk de Beer zwei Technik-Chefs. Es ist naheliegend, dass diese Vielzahl an Abgängen und Neubesetzungen keine Stabilität in ein Formel 1-Team bringen dürfte. Der Auftakt der aktuellen Formel 1-Saison bekräftigt diese Annahme.

Schwacher Motor, schlechte Infrastruktur

Doch nicht nur personell weist Alpine Ungereimtheiten auf, sondern auch in seiner Technik und Infrastruktur. Der Motor soll bereits in der Vergangenheit zu wenig Leistung geboten haben. Mittlerweile soll der Zeitverlust allein durch den Antrieb eine gute halbe Sekunde pro Runde betragen. Da man mittlerweile keine Kundenteams beliefert, sammelt man entsprechend wenige Daten, um den bestehenden Motor zu verbessern.

Zudem sollen Daten aus dem Simulator nicht mit jenen auf der Strecke korrelieren. Die Infrastruktur von Alpine ist veraltet und hat Nachholbedarf, wenn man wirklich wieder zurück ins Mittelfeld, geschweige denn an die Spitze will. Als Werksteam, das Motor und Chassis produziert, könnte man beide Abteilungen möglichst in geografische Reichweite zueinander bringen. Jedoch sind bei Renault bzw. Alpine jene Abteilungen gut 600 Kilometer voneinander entfernt. Damit hat Alpine ein strukturelles Problem, oder eher gesagt einen ungenutzten Vorteil.

Steigt Alpine aus der Formel 1 aus?

Letztlich bleibt die Frage zu klären, wie der Spielplan von Alpine aussieht. Stabilisiert sich das Team und kommt stärker zurück? Doch wie stark kann Alpine werden? Es ist unwahrscheinlich, dass andere Teams Motoren von Renault anfragen werden. Somit bleibt dieses Defizit vermutlich mittel- bis langfristig bestehen. Der Aufstieg eines Teams, das jahrelang nur im Mittelfeld agierte, ist auch denkbar unwahrscheinlich.

Das wahrscheinlichste Szenario ist also, dass man bestenfalls ins Mittelfeld zurückkehrt. Doch genügt dies Alpines Ansprüchen? Der Personalpolitik zu urteilen definitiv nicht. Ich halte es daher für durchaus denkbar, dass Alpine bzw. Renault sich nicht der unwahrscheinlichen Hoffnung hingibt, nochmal die Spitze der Königsklasse zu erreichen und seine Ressourcen anderweitig verteilt.